Am Frühstücksbuffet im Hotel lerne ich Linnea kennen. Eine Stockholmer Ärztin und Sportmedizinerin mit Tochter. Sie wollen den Kebnekaise besteigen, DEN Berg Schwedens, den jeder Schwede einmal im Leben bestiegen haben muss. 

Da ich nach über einer Woche unrasiert bin und auch keinerlei Bekleidung außer meinen kurzen Trailrunningsachen dabei habe, zudem noch humpele, muss ich den anderen Gästen wohl Rätsel aufgeben. Immerhin ist alles wieder sauber gewaschen und über Nacht getrocknet. 

Sie fragt mich auf Schwedisch was ich denn so mache und ob ich in den Wäldern im Kiruna laufen will – das macht mich ein wenig stolz nicht direkt als deutscher Tourist durchzugehen. Als dieser fühle ich mich nämlich so gar nicht. Genau darüber habe ich am Abend vorher noch nachgedacht, denn das ist es, was all die Langstreckenwanderer und Läufer verbindet: sie sind Teil des Ganzen, Teil der Natur und der Gemeinschaft. Auf den Trails spielt es überhaupt keine Rolle aus welchem Land Du kommst, man begegnet Menschen, die die gleiche Leidenschaft teilen und sofort verbindet uns ein Band miteinander. Schwer zu erklären, aber Trailrunner wissen was ich meine, denn auf den langen Strecken passiert bei Rennen exakt das gleiche.  

Ich erzähle Linnea was in der letzten Woche passiert ist und gebannt lauschen sie und ihre Tochter mir eine halbe Stunde lang beim gemeinsamen Frühstück. Und dann passiert erneut etwas, was schon wieder in die Kiste der Sentimentalitäten gehört: sie bietet mir an sich das Schienbein anzusehen und die Durchblutung mit einer Lymphdrainage anzukurbeln. Hier passieren solche Dinge einfach. 

Während ihre Tochter die Rucksäcke packt, bekomme ich eine erstklassige Behandlung und einen ärztlichen Rat, den ich akzeptieren kann: Bewegung ist gut, solange ich es nicht übertreibe und nur langsam im Ort herumspaziere. Wenn es wieder beginnt weh zu tun -> Bus nehmen. Ansonsten Beine hoch, kühlen, relaxen und warten. Sie hat genau verstanden, dass es sinnlos ist mir zu raten mich mit einem Beutel Eis im Hotelzimmer einzuschließen. Mit einer Umarmung endet diese Begegnung, die mich sehr bewegt hat.

In den zwei Tagen besichtige ich die ganze Stadt zu Fuß und bin insgesamt über 40km unterwegs, nahezu schmerzfrei und zuversichtlich, doch noch einmal auf die Trails zurückkehren zu können. 

Auf meinen Ausflügen sehe ich die alte Kirche, die zwei Wochen später auf Tiefladern an das andere Ende der Stadt umgezogen wird und durch die Weltpresse geht. Ich sehe verlasse Häuser, unter denen der Boden wegen der Minen von Kiruna wegsackt und das neue, sehr moderne, Stadtzentrum und bereits umgezogenen Häuser. Jacob hatte mir beim Besuch im Krankenhaus davon erzählt, nun sehe ich es selbst. 90% des Eisenerzes in der EU stammt aus Kiruna – wir haben also alle etwas aus Kiruna daheim. 

An diesem Tag entsteht eine kleine Schwarz-Weiß Fotoserie, die das alte Kiruna zeigt, kurz bevor Teile davon umgezogen oder abgerissen werden. Am kommenden, zweiten und letzten Recoverytag, besuche ich das neue Kiruna und schiße erneut Fotos., dieses Mal in Farbe.

Campingplatz

An diesem Tag schafft es Jens, die restlichen Kilometer zum Campingplatz zu schaffen. Die Route war recht kurz und führte schon früh morgens per Ruderboot über einen See, was gut funktioniert hat. Am Campingplatz angekommen gab es ein Wiedersehen mit Jacob und Anna, die ihn mit Equipment und Zelt aus dem Van versorgen. Der bewirtschaftete Campingplatz hat Einkaufsmöglichkeiten, ein Restaurant und hätte auch Betten, aber Jens entscheidet sich für das Zelt.  So verbringt er den restlichen Tag und versucht seinerseits seine Verletzung loszuwerden.