Am nächsten Morgen gilt es, etwas zu essen zu finden, und dafür eignet sich der Supermarkt 500m weiter ziemlich gut. Das Bein sieht das ganz anders, aber nach ein paar Minuten geht es etwas besser und wir schleichen dem Fresstempel entgegen. Vorbei am kleinen Bahnhof und der Shamanin, runter zur Straße mit dem Supermarkt.

Der Schamanin? Moment mal! Ich bin ja nun wirklich nicht esoterisch angehaucht, aber in diesem Augenblick würde ich fast jeden Strohhalm greifen, um eine Lösung für mein Problem zu finden. Wir diskutieren eher scherzend darüber, ob das wohl eine kleine Sami-Schamanin ist mit wirrem Haar, aus dem ein Rabe schaut. Kann sie mich wieder gesundzaubern? Ich muss darüber nachdenken, und mit vollem Magen geht das besser.

Es ist 09:00 Uhr und der Supermarkt öffnet um 10:00 Uhr. Sauber. Die Lösung wartet 2km weiter an der Fjällstation. Dort gibt es Lebensmittel, ein Restaurant und etwas Abwechslung – das Problem sind die 2km. Auf ebener Strecke wie diesem gut asphaltierten Wanderweg lässt sich halbwegs schmerzfrei gehen und nach einer halben Stunde stehen wir mit einem Kaffee und leckerem Gebäck im Shop der Fjällstation und suchen uns ein Plätzchen zum Genießen vor dem Haus mit einem unschlagbaren Blick auf den riesigen See Torneträsk.

Eine Stunde Pause war es am Ende, in der wir besprochen haben, wie es uns geht, wie es weitergehen kann und wie wir die Routenplanung anpassen müssen. Wir schicken Fotos in die WhatsApp-Gruppe und erzählen, was in den letzten Tagen passiert ist. Die Stimmung ist gedrückt, Träume sind zerplatzt, aber wir sind hier und wenn es weitergehen kann, dann lassen wir es weitergehen.

Für den Rückweg brauchen wir deutlich länger, denn die Belastung ist zu viel für mich. Die entzündete Schienbeinkante glüht förmlich und ich sehne den Supermarkt und das Hostel herbei. Immerhin gibt es im Supermarkt Wienerbröd und eine Flasche Blandsaft Hallon (Himbeere), der Klassiker – mehr braucht es jetzt nicht, um meine Stimmung zu heben. Jens plündert die Süßwarenabteilung und kommt mit einem ganzen Arm Einkäufe aus dem Laden, da braucht es anscheinend mehr Betäubungsmittel.

Den Plan mit der Schamanin verwerfe ich, als ich sie draußen Wäsche aufhängen sehe. Grüne Haare, Irokesenschnitt, mehr Punk als weise Heilerin. Neee, die kann mich nicht heilen.

Wir waschen Wäsche und hängen sie auf, streicheln den Husky vom Hostelbetreiber und warten auf Jacob und Anna. Denn heute planen wir die nächsten 2,5 Tage im Gebirge auf dem Kungsleden. Ab hier soll alles einfacher werden. Es gibt einen sichtbaren Trail, hier sind Menschen unterwegs und das Gelände soll viel einfacher sein. Ob mein Schienbein bis dahin wieder einsatzbereit ist, ist unklar. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Vermutlich morgen früh, mal sehen.

Es wird wieder geplant …

Jacob und Anna kommen irgendwann am späten Nachmittag. Da der FKT nun eh hinfällig ist, sind wir auch nicht mehr an dessen Regeln gebunden und lassen einiges an Equipment im Dovra. Es wird nachgefüllt, aussortiert und umgeplant. Immerhin hat die Verpflegung so gut funktioniert wie überhaupt noch nie. Ich habe meine ganze Tagesverpflegung auf 400-500g Energiepulver von Squeezy abgestimmt. Basic Formula mit nur ganz leichtem Zitronenaroma hat mega funktioniert und reicht bei langsamer Pace für 8 Stunden. Darüber hinaus habe ich Tzampas-Riegel für das Frühstück gewählt und Energy-Riegel von Squeezy. Eine sehr gute Kombination, die ich so wieder wählen würde.

Später sitzen wir in der Gemeinschaftsküche des Hostels über unseren Navigations-Apps und dem Atlas von Jacob. Manchmal ist so ein Stück Karte auf Papier doch besser. Eine Entscheidung muss her und die lautet, die Strecken auf knapp 50 km/Tag zu verkürzen und zwei STF-Fjällstationen am jeweiligen Tagesende als Unterkunft zu nutzen. Am dritten Tag wartet ein Campingplatz am Fuße der Berge auf uns, wo auch Jacob wieder zu uns stoßen kann. Um 07:00 Uhr soll es losgehen und wir beginnen kurz darauf wieder mit dem Packen der Rucksäcke, sammeln die trockene Wäsche ein und telefonieren mit den Lieben daheim.